Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
wir leben in einer erstaunlichen Zeit des Fortschritts und der Neuentwicklung. Dinge entwickeln sich derart schnell, dass man mittlerweile nicht mehr in der Lage ist hinterherzukommen. Bei allen neuen Entdeckungen, die ohne Zweifel auch ihr Gutes haben können, sind es doch auch oft die alten Dinge, die unser Leben bereichern. Die alten Fotos aus der Kindheit (Tipp: Um sie für die Nachwelt zu erhalten, könnte man diese digitalisieren.), Omas alte Rezepte, alte Erinnerungen, die eigenen ersten Malversuche, alte Briefe, alte Musik, alte Gedichte, alte Bücher, eine alte Ruine, usw. Neues ist nicht immer besser und altes ist nicht immer schlechter. Manchmal müssen wir den Wert der alten Dinge vielleicht wieder neu entdecken. Vergebung ist z. B. so ein „altes“ Thema.
Seid es Menschen gibt, spielt das Thema Vergebung in Beziehungen und im Miteinander eine zentrale Rolle. Es ist eine Jahrtausend alte Praxis, die sich in unterschiedlichen Zeiten und Kulturen bewährt hat. Es ist klug, sich bewährte Beziehungstools anzueignen. Ohne Vergebung wären Beziehungen nicht möglich. Vergebung hat etwas mit Schenken zu tun. Ich beschenke die Person, die mich verletzt und enttäuscht hat, indem ich sie von der Schuld freispreche. Allerdings ist Vergebung ein Wert, der heute nicht mehr so in Mode ist. Menschen halten lieber an ihren Verletzungen fest, anstatt sich von ihren Verletzungen zu lösen. Miroslav Volf, ein sehr einflussreicher Theologe hat das Buch „Umsonst – Geben und Vergeben in einer gnadenlosen Kultur“ geschrieben. Er sieht einen möglichen Grund für diese Haltung vieler Menschen in unserer Kultur begründet. Er beschreibt, dass wir in einer Kaufen- und Verkaufen Mentalität leben. Er schreibt: „Im Großen und Ganzen sind wir heute auf Kaufen und Verkaufen eingestellt, nicht auf Geben und Empfangen. Wir neigen dazu, nichts umsonst zu geben und nichts umsonst zu bekommen.“[1] Er schreibt weiter: „Wir leben in einer Kultur in der es zwar durchaus Fälle von erstaunlicher Großzügigkeit gibt, die aber im Großen und Ganzen ohne Selbstlosigkeit und Nächstenliebe ist.“[2]
In Epheser 4,32 schreibt Paulus: „Geht vielmehr freundlich miteinander um, seid mitfühlend und vergebt einander, so wie auch Gott euch durch Christus vergeben hat.“ Christen mögen vielleicht manchmal als verstaubt und überholt bezeichnet werden, aber Paulus Aufforderung zu Vergeben ist, denke ich, eines der innovativsten und revolutionärsten Beziehungstools, die man auf dem Buchmarkt finden wird. Natürlich ist Vergebung kein einfaches Thema. Und so manche Verletzung bedarf viel Zeit, Sensibilität und Kompetenz, um sie loszuwerden. Allerdings denke ich, dass in vielen Fällen Vergebung etwas mit einer persönlichen Entscheidung zu tun hat. Ein erster Schritt könnte sein, dass man sich bewusst dazu entscheidet, vergeben zu wollen. Egal wie lange der Weg dauert, bis man wirklich vergeben hat. Diese Entscheidung kann einem niemand abnehmen.
In diesem Prozess möchte Jesus uns helfen. Er weiß, wie es sich anfühlt verraten und verlassen zu werden. Er weiß, wie es ich anfühlt, wenn Menschen schlecht über einen reden. Er versteht es, wenn man körperlich misshandelt wird. Er fühlt mit, wenn die engsten Freunde einem in den Rücken fallen und sich von einem abwenden. Jesus kennt unseren Schmerz. Aber er kennt auch den Moment der Vergebung. Hängend am Kreuz hat Jesus vergeben! „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23,34). Er hat nicht nur die Verletzung, die gegen ihn gerichtet war vergeben. Er hat die gesamte Schuld der gesamten Menschheit vergeben, die gegen Gott gerichtet war. Und so sehr sich Jesus mit unserem Schmerz identifiziert, so können auch wir uns mit seiner Vergebung identifizieren. Durch Jesus Kraft sind wir in der Lage, anderen zu vergeben. Genau dazu möchte ich dich einladen. Mache den ersten Schritt und dann den Nächsten. Und du wirst merken, Jesus hilft dir dabei!
Ich wünsche allen Gottes reichen Segen!
Jürgen Justus